23. Oktober 2020

Stolperstein zum Gedenken an Mathilde Roth enthüllt

Der Heimat- und Geschichtsverein Sossenheim unterstützt diese Initiative

Andy Will, 3. v. rechts, sprach vor der Enthüllung des Stolpersteins zu den Anwesenden. Fotos und Video: Krüger

Bericht mit Video: Die Verlegung des „Stolperstein“ am 23. Oktober 2020 geht aus der Initiative des Stadtteil-Historikers und Vorstandsmitglied des Heimat- und Geschichtsverein Sossenheim, Heinz Hupfer, hervor. Die bei seinen Recherchen zur Chronik von Sossenheim erarbeiteten Details, wurden auf seinen Vorschlag von der Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e.V. aufgegriffen und nun umgesetzt. Heinz Hupfer hat auch den benötigten Betrag zur Verlegung des Stolpersteines gespendet.

Eine Zeitzeugin war extra aus Schlossborn gekommen: Leni Mosch, geb. Leonhardt. Sie wohnte früher unter gleicher Anschrift in der Oberhainer- / Schaumburger Straße 19 und konnte sich noch gut an Mathilde Roth erinnern, und „die Eltern haben den Roths gerne Kuchen gebracht“.

Zeitzeugin Leni Mosch zwischen Andy Will, links und Heinz Hupfer.

Bevor der „Stolperstein“ enthüllt werden konnte, hatte Martin Dill von der „Stolperstein-Initiative“ den Stein auf dem Gehweg vor dem Haus eingelassen und mit einem Tuch bedeckt (verhüllt). Unter den Anwesenden waren auch Pfarrerin Dr. Charlotte Eisenberg und Stadtteil-Historiker Heinz Hupfer sowie der Stadtverordnete Roger Podstatny, SPD.

Auf dem Stolperstein steht: Hier wohnte Mathilde Roth, Jg. 1889, gedemütigt / entrechtet, Flucht in den Tod 17.11.1943.

Der Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins, Andreas Will, sprach zu den Anwesenden und las den folgenden Text vor:

„Sich an den Terror und die Gewalt der nationalsozialistischen Diktatur zu erinnern, der Opfer und Leittragenden zu gedenken und immer aufs Neue zu mahnen, dass Ähnliches nie wieder geschehen darf, ist eine Verpflichtung für uns alle! Gerade heute, wo wieder Millionen von Menschen auf der Flucht sind und verfolgt werden. Aber auch zu mahnen, da die rechten, fremdenfeindlichen Bewegungen in ganz Europa zunehmen. Mahnen heißt auch, nicht wieder zu Tätern zu werden. Denn dort, wo es Opfer gibt, sind leider auch Täter. Auch wir in Sossenheim können uns davon nicht freisprechen. Deshalb brauchen wir Mahnmale und Gedenkstätten und solche Veranstaltungen wie heute dringender denn je. Wir müssen Menschen aufmerksam machen auf das Schicksal der Opfer, und zwar Menschen aller Generationen. Das Erinnern darf nicht aussterben. Wir müssen die Erinnerung lebendig halten; die Erinnerung an den Mut der Helfer und die Tatenlosigkeit so vieler.  Die Stolpersteine bieten eine Gelegenheit, sich im Alltag mit der Vergangenheit auseinander zu setzen, sich berühren zu lassen von der Vergangenheit – vor allem und gerade durch das individuelle Schicksal, das einen Namen und ein Gesicht bekommt. Aber auch berühren zu lassen – mit dem Blick in die Zukunft!“

Weiter sagte Will: „Frau Mathilde Roth, geb. Studzinski wurde am 4. Februar 1889 in Witkowo, im damals westpreußischen Kreis Gnesen, heute Polen, geboren. Am 19. April 1913 heiratete sie den in Höchst geborenen katholischen Schlosser Joseph Fridolin Roth und lebte mit ihm im Haus seines Vaters, in der „Oberhainerstraße 19“, die nach der Eingemeindung Sossenheims 1928 in Schaumburger Straße umbenannt wurde.

Zusammen mit Ihrem Ehemann war die 24jährige Mathilde Roth 1913 Pächterin und Gastwirtin der Rödelheimer Wirtschaft „Zur Stadt Höchst“, in der Radilostrasse 15, im Geschäftsneubau des Schreinermeisters Kunz. In keinem Adressbuch der Stadt Frankfurt findet sich ein Hinweis auf die Gastwirtschaft, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass die Gastwirtschaft nicht lange aktiv war.

Seit 1933 lebte Mathilde Roth mit Joseph Roth in einer „unerwünschten Rassenmischehe“. Roth wurde als „jüdisch versippter“ Ehemann diskriminiert. Seit der 1. Verordnung des Reichsbürgergesetzes 1935 wurde er als sog. „Geltungsjude“ stigmatisiert, weil er bei Erlass des Gesetzes mit einer Jüdin verheiratet war. Der Freitod seiner Ehefrau ersparte ihm den Einsatz als kasernierter Zwangsarbeiter in Sonderkommandos.

Mathilde Roth nahm sich am 17. Februar 1943 das Leben. Es war der Tag, ab dem es jüdischen Bürgern verboten war, Zeitungen und Zeitschriften zu kaufen. Drei falsche Todesursachen sind in ihrer amtlichen Sterbeurkunde Nr. 1926/43 vom Standesamt Frankfurt aufgeführt: Herzschwäche, Bauchwassersucht und Grippe; richtig ist aber nur die Todesursache Freitod. Über 700 Juden begingen in Frankfurt vor ihrer Deportation Selbstmord.

In der Liste aller jüdischen Gräber der jüdischen Gemeinde Frankfurt, die seit dem 02. September 1939 verstorben sind, ist das Urnengrab von Mathilde Roth auf dem „Neuen Jüdischen Friedhof in der Eckenheimer Landstraße verzeichnet.“

Mit Musik von Bach, „Menuett“ und „Ich werde hier bei dir stehen“, sorgten Michael Holy und Thomas Purtz für den angemessenen musikalischen Rahmen. Der Heimat- und Geschichtsverein Sossenheim wird sich auch in Zukunft für die Verlegung weiterer Stolpersteine einsetzen und somit auch weiter dazu beitragen, dass die betroffenen Menschen und die schrecklichen Geschehnisse von damals, nie in Vergessenheit geraten. Informationen und Kontakt unter: Andreas Will, Alt-Sossenheim 60, Tel.: 0173-4951857 oder E-Mail: andreas.will@atos.net mk

Video:

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert