25. Januar 2023

Widerstand aus Sossenheim

Vortrag zur Geschichte der Gesellschaft Possev für deutsch-russische Völkerverständigung

Der Stadtteilhistoriker Matthias Vetter war zu Gast in der Sossenheimer Stadtteilbücherei. Foto: Mingram

Zum Auftakt seiner diesjährigen Veranstaltungen hatte der Förderverein der Sossenheimer Stadtteilbibliothek „Bücherwurm“ zu einem Vortrag eingeladen, der für einen voll besetzten Saal sorgte.

Auch wenn die Büchewürmer ein Faible für das Genre Krimi haben, so ist für ihre regelmäßigen Leseabende immer wieder auch historische Literatur willkommen. Andererseits – so weit weg vom Krimigeschehen ist die Geschichte des russischen Exilorgans NTS auch wieder nicht, wie der Stadtteilhistoriker Matthias Vetter am vergangenen Freitagabend erklärte: „Vieles, was wir nur aus James-Bond-Filmen kennen, hat sich im Kampf gegen das Sowjetregime so abgespielt.“
Im Rahmen des Projekts Stadtteilhistoriker der Polytechnischen Gesellschaft hat Matthias Vetter die dramatische Geschichte der Gesellschaft Possev für deutsch-russische Völkerverständigung und ihren Bezug zu Sossenheim, wo sie das Vereinsleben bereichert, recherchiert und in einem Buch mit dem Titel „Wir bringen den Tyrannen den Tod“ festgehalten. Es handelt sich dabei um die erste wissenschaftliche Gesamtdarstellung dieser Exilorganisation seit deren Gründung bis in die heutige Zeit, wofür zahlreiche bisher kaum ausgewertete Quellen dienten, unter anderem von den auf beiden Seiten involvierten Geheimdiensten.
Als Akteure in der Ära des Kalten Krieges haben sich die Mitglieder des Bundes der russischen Solidaristen, NTS abgekürzt, 1930 auf dem Balkan formiert, von wo aus man gegen Stalin und Hitler gleichermaßen agierte. Viele Jahre und unzählige Todesopfer später, verlegte die Organisation ihren Sitz nach Frankfurt und gründete 1952 in Sossenheim den Verlag Possev, was „Die Aussaat“ bedeutet. In den Räumen des Anwesens im Flurscheideweg wurden unter anderem Millionen von Flugblättern mit dem Aufruf zur Revolution sowie in der Sowjetunion verbotene Literatur gedruckt und wieder dorthin zurück geschmuggelt. Auch Werke des Schriftstellers und Nobelpreisträgers Alexander Issajewitsch Solschenizyn zählten dazu.
Die Gesellschaft Possev für deutsch-russische Völkerverständig nutzt die Räume im Flurscheideweg heute als Archiv und Veranstaltungsort. mi

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