6. Dezember 2017

Maiglöckchen und „abbe Köpp“

„Dr. Senckenberg“ war zu Besuch in der Sossenheimer Bibliothek

Dr. Senckenberg alias Dr. Helmut Wicht hatte sein Leben der Forschung verschrieben. Foto: Mingram

Zum ausgehenden Senckenberg-Jahr begrüßte der Sossenheimer Bücherwurm am 17. November einen ganz besonderen Gast, der mit Bänkelsang und kuriosen Anekdoten den berühmten Frankfurter Sohn Dr. Johann Christian Senckenberg und dessen Leben und Wirken vorstellte.

Im zeitgenössischen Kostüm des beginnenden 18. Jahrhunderts schlüpfte der wissenschaftliche Mitarbeiter der Dr. Senckenberg Anatomie, Dr. Helmut Wicht, in die Rolle des erfolgreichen Medicus. Dass die Dissertation des jungen Senckenberg ausgerechnet die Heilkraft des Maiglöckchens zum Inhalt hatte, mag heute Grund zur Heiterkeit sein. Damals, so Helmut Wicht, verhalf dieser „Kokolores“ dem bis dahin nur inoffiziell tätig gewesenen Arzt zur gewünschten Zulassung in Frankfurt.
Sein beträchtliches Vermögen investierte der äußerst erfolgreiche, aber kinderlose, Dr. Senckenberg in seine gleichnamige Stiftung, die Frankfurt zum ersten Krankenhaus für Einheimische, das Bürgerhospital, verhalf. Das Hospital zum Heiligen Geist konnte damals nur von Reisenden aufgesucht werden. Bücherwurm-Vorsitzende Marion Weber wusste zu berichten, dass das Grab des Bürgerhospital-Stifters heute noch zu Ehrentagen mit Maiglöckchen geschmückt wird.
Dem Krankenhaus folgten eine Anatomie, ein botanischer Garten, ein Chemielabor und eine reich ausgestattete Bibliothek. Zufällig am Tag dieses informativen wie amüsanten Vortrags, nämlich am 17. November, jährte sich der Todestag von Dr. Senckenberg. Er stürzte 1772 vom Turm seines Hospitals.
Da die meisten Besucher des Sossenheimer Bücherwurms Krimifans sind, gab der Redner des Abends Anekdoten aus der Frankfurter Anatomie zum Besten, die ihm selbst auch zu literarischem Ruhm verholfen haben. So befanden sich dort einst die Leichen der geköpften Kumpane des berühmten Schinderhannes. Auch wenn Helmut Wicht in seinem Fach täglich mit den Folgen von Verbrechen konfrontiert wird, ist ihm doch Sossenheim als ein „architektonisches Verbrechen“ nicht entgangen.
Man nahm es ihm nicht übel. Vielleicht trug auch das Büffet, bei dem sich die Bücherwürmer wieder einmal selbst übertroffen hatten, zu einer aufgeräumten Stimmung bei. Und bestimmt dachte so mancher Besucher auf dem Heimweg über die Möglichkeit nach, seinen Körper im Todesfall der Dr. Senckenbergischen Anatomie, für Forschung und Lehre, zu übereignen. mi

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