24. Oktober 2022

Volkshausverein feiert 75jähriges Bestehen

Ein „Sozialer Zusammenhalt Sossenheim“ entstand bereits in den Wurzeln des Volkshausvereins

Der Vorstand des Volkshausvereins, von links: Ingrid Gier, Rosi Dill, Peter Donath, Helga Foerster, Roger Podstatny (1. Vorsitzender), Erna Raschter und Brigitte Stark-Matthäi. Fotos: Krüger

Rechtzeitig, nach hoffentlich überstandener Corona-Pandemie und zur Feier der Gründungsversammlung von 1947 durfte auch der Volkshauverein seine Mitglieder zu einer akademischen Feier einladen. Im Jahr 1947 gründete sich der Verein auf Initiative des Sozialdemokraten Wilhelm Beckel, um das zu diesem Zeitpunkt desolate, beschädigte und von Faschisten geplünderte Volkshaus zu retten.

Die Gründungsversammlung fand am 29. November 1947 statt. Aus drei Vereinen ging damals der „Volkshausverein Frankfurt-Sossenheim e.V.“ hervor. Genau wie schon 1924 beim Bau des Volkshauses, nahmen auch zur Restaurierung des Gebäudes die Vereinsmitglieder private Baudarlehen auf, um das Vorhaben zu finanzieren, so dass das Volkshaus am 17. September 1956 den Sossenheimer Bürgern wieder zur Nutzung übergeben werden konnte.

Mit einer akademischen Feier würdigte und feierte der Volkshausverein am 22. Oktober 2022 sein 75jähriges Bestehen. Der 1. Vorsitzende des Vereins, Roger Podstatny, begrüßte Mitglieder und Ehrengäste und sagte mit Blick in die Vergangenheit, „wir sind froh, in Freiheit leben zu können – das war nicht immer so!“  Er dankte allen „seinen“ Vorstandsmitgliedern, „ohne euch könnte das alles, weil ehrenamtlich, nicht stattfinden!“ Er freute sich besonders, „auch unsere ehemaligen Vorsitzenden, Jutta Dahlke (2006-2007) und Hermann Wittmann (1994-1998), begrüßen zu können!“

Ein Grußwort überbrachte Lisa Retsch vom Vereinsring Sossenheim, sprach Glückwünsche zum Jubiläum aus und dankte dem Volkshausverein für seine in Sossenheim über die in den vielen Jahren geleistete Arbeit.

Ein Grußwort von Lisa Retsch, Vereinsring, mit einem kleinen Präsent an den Vorsitzenden.

Zum musikalischen Auftakt sang der DGB-Chor, er hat seinen neuen Namen „Provokale“ noch in Planung,  dem feierlichen Rahmen entsprechend angepasste Lieder, wie: „Lied des Volkes“ aus Les Miserables, „Brot und Rosen“ von Mimi Farina oder auch „Kinderhymne“ nach Hanns Eisler und „Der Streik“ von Schubert, sowie im zweiten Auftritt auch das bekannte Lied von John Lennon: „Give Pease a Chance“! Es gab jeweils herzlichen Applaus.

Eine Festrede im eigentlichen Sinn gab es nicht. Stadtrat Mike Josef, Dezernent für Planen, Wohnen und Sport, konnte erst später dazu kommen. Aber ein paar Schlaglichter auf die Geschichte des Vereins zu werfen gelang Roger Podstatny und Peter Donath sowie auch Brigitte Stark-Matthäi und Erna Raschter.

 

Zum musikalischen Auftakt sang der DGB-Chor, demnächst „Provokale“.

Peter Donath thematisierte die „Wurzeln des Vereins“ der sozialen Bewegung in Sossenheim. Ein gravierendes Beispiel war, „eine Preiserhöhung des Apfelweins von 12 auf 14 Pfennig. Das löste den Apfelweinkrieg aus“. Eine Boykottaktion der Vereine sei die Folge gewesen. Die Vereine, Gesangverein, Radfahrverein und Turnerschaft, schlossen sich mit der Arbeiterbewegung und den Sozialdemokraten zusammen. Den Bau eines eigenen Hauses zu beschließen und zu bauen, sei die Folge gewesen. Er zeigte auch die Zeit von 1933, Hitler wird Reichskanzler, und die Nachkriegszeit auf.

Brigitte Stark-Matthäi warf einen Blick auf die Besetzung Sossenheims durch hessische und preußische Truppen, auf die bewegte Zeit der Revolution 1848 und die Gestaltung der Freiheitsfahne und wie sie bis heute „überlebt“ hat. Das wertvolle Original wurde 2008 dem Historischen Museum in Frankfurt als Dauerleihgabe überlassen. Ein Replikat ist im Vereinsbesitz.

Erna Raschter Griff die Zeiten nach 1945 auf, von der Zusammensetzung des ersten Vorstands um Wilhelm Beckel, die finanziellen Anstrengungen und die umfangreiche Eigenarbeit sowie ein Baudarlehen der Vereinsmitglieder. Aber das Volkshaus war eigenständig nicht zu betreiben. 1969 beschloss die Mitgliederversammlung die Vermietung an die städtische „Saalbau GmbH“.

Anfang 1994 war dann das Volkshaus neu gebaut und das alte Volkshaus renoviert. Die Baukosten von rd. 34.000.000,- DM, der Pachtzins für das weiterhin uneingeschränkte Eigentum sowie ein garantiertes Nutzungsrecht für den Verein, sind Teil der Vermietungsverhandlung für 60 Jahre in Erbpacht an die Saalbau GmbH. 2056 erhält der Verein sein Volkshaus als uneingeschränktes Eigentum zurück. Abschließend sagte Erna Raschter, „wir haben noch viele Ideen und wollen auch die ‚Babbelstubb‘, einst von Ilse Vaupel gegründet, wieder ins Leben rufen!“ Auch sie bekam viel Applaus.

Zwischenzeitlich war das kalt/warme Büffet eröffnet und die anwesenden gut 70 Teilnehmer hatten sich vom leckeren Essen genommen. Und auch die gut gekühlten Getränke wurden stets nachgereicht. Während jetzt dann auch Stadtrat Mike Josef eintraf, wurde der Nachtisch aufgetischt.

Stadtrat Mike Josef mit Grußwort und Gratulation.

Mike Josef entschuldigte sich für sein etwas späteres Erscheinen, „ich war auf einer Versammlung der Binding Brauerei“, wegen der angekündigten Betriebs-Schließung herrsche dort verständliche Aufregung. Er gratulierte zum 75jährigen Bestehen und betonte in seiner kurzen Ansprache die Wichtigkeit von Bürgerhäusern in den Stadtteilen, die Werte von Ehrenamt, Infrastruktur und Sport. „Und da verstehe ich nicht, wie man den Vereinen in ihren Turnhallen die Duschen abstellen kann!“ Dafür bekam er Sonderapplaus.

Roger Podstatny schenkte auch Mike Josef einen ein.

Roger Podstatny bedankte sich abschließend bei Mike Josef für seine Worte zum Festakt und wies auf die Freiheitsfahne von 1848 hin: „Sie ist für mich gerade auch in der jetzigen Zeit ein Symbol für Frieden und Freiheit“. Gemütlich plaudernd saß man noch zusammen, trank auch ein Glas Wein – und, auch Tradition, Roger Podstatny schenkte an den Tischen noch ein Glas Williams Christ-Birne ein. mk

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert