Infraserv Höchst hat bereits Mitte Juni an der Klärschlammverbrennungsanlage des Industrieparks Höchst eine Carbon Capture-Pilotanlage erfolgreich in Betrieb genommen, um Daten und Erfahrungen zur Machbarkeit der Kohlendioxid-Abtrennung aus Rauchgasen zu gewinnen. Die Pilotanlage lieferte GEA, ein weltweit führender Anbieter von Prozesstechnologien und nachhaltigen Industrielösungen. Infraserv Höchst mietet die Anlage für einen Zeitraum von drei Monaten an.
„Pilotanlagen dieser Art sind unverzichtbar, um das Verfahren zu testen und notwendige Daten zu sammeln“, erklärt Dr. Joachim Kreysing, Geschäftsführer von Infraserv Höchst. Dies sei die Voraussetzung dafür, perspektivisch eigene, größere Carbon-Capture-Anlagen im Industriepark Höchst betreiben zu können. „Carbon Capture kann einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Transformation des Standorts leisten, wenn die technischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen stimmen.“ Carbon Capture trägt dazu bei, Kohlendioxid-Emissionen zu reduzieren, fossile Ressourcen zu schonen und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. „Wir wollen im Industriepark Höchst die besten Voraussetzungen dafür schaffen, um unseren Kunden den Weg in Richtung Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Dazu gehören auch die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten von Kohlendioxid“, so Joachim Kreysing. Infraserv sondiert den Markt kontinuierlich, um mögliche Abnehmer von abgetrenntem Kohlendioxid zu identifizieren.
Im Rahmen des Projektes wird an der Klärschlammverbrennungsanlage von Infraserv Höchst ein Teilstrom des Rauchgases am Kamin entnommen, um in der Pilotanlage das darin enthaltene Kohlendioxid herauszuwaschen und abzuscheiden. Dies stellt eine besondere Herausforderung dar, da das Rauchgas einer Verbrennungsanlage viele unterschiedliche Bestandteile enthält. Daher ist die Testphase entscheidend, um Erfahrungen zu sammeln und die Machbarkeit der Kohlendioxid-Abtrennung hinsichtlich verschiedener Parameter zu prüfen. So werden Daten zur Abtrennrate, der Reinheit des Kohlendioxid, der Zersetzung des Waschmittels, mit dem das Kohlendioxid gebunden und abgetrennt wird, und des Energiebedarfs ermittelt. „Im Kern geht es um die Bewertung des Energiebedarfs, der Effizienz und der Kosten einer großtechnischen Abscheidungsanlage an einer Verbrennungsanlage“, erklärt Dr. Sirko Ogriseck, Projektleiter von Infraserv Höchst. Die Klärschlammverbrennungsanlage wurde bewusst gewählt, da ein Teil des Kohlendioxids biogenen Ursprungs ist. Perspektivisch möchte Infraserv dieses Kohlendioxid an Startups liefern, damit sie es gemeinsam mit kohlenstoffarmen Energien wie grünem Wasserstoff und grünem Strom in ihren Synthesen einsetzen können. Biogenes Kohlendioxid spielt eine zentrale Rolle bei der Carbon Capture and Utilization (CCU), also der chemischen Nutzung von Kohlendioxid, weil es im Gegensatz zu fossilem Kohlendioxid als klimaneutral gilt – es stammt aus nachwachsenden Rohstoffen und wurde zuvor durch Pflanzen der Atmosphäre entzogen. Dadurch ermöglicht biogenes Kohlendioxid die klimaneutrale Herstellung von chemischen Produkten, Kraftstoffen und Materialien, deren Kohlendioxid-Bilanz ansonsten negativ wäre, und unterstützt die Transformation der chemischen Industrie hin zu einer treibhausgasneutralen Kreislaufwirtschaft.
„An der KVA wird ein Teilstrom des Rauchgases am Kamin entnommen. Dieses Rauchgas wird in die Pilotanlage geführt. Dabei wird das Kohlendioxid aus dem Rauchgas herausgewaschen“, erläutert Michael Schneider von GEA, den Prozess der Kohlendioxid-Abscheidung. „Das Rauchgas wird dazu mit einer Flüssigkeit, einem Amin-Wasser-Gemisch, in Kontakt gebracht, welche das Kohlendioxid aufnimmt. Anschließend wird diese Flüssigkeit erhitzt, sodass das Kohlendioxid wieder freigesetzt wird.“ Das aus dem Rauchgas abgetrennte Kohlendioxid wird auf seine Reinheit untersucht, parallel Betriebsdaten der Kohlendioxid-Abtrennung gesammelt. „Nach der Abscheidung in der Pilotanlage könnte das Kohlendioxid gereinigt und weiterverarbeitet werden, was aber nicht Teil des Projektes ist. Aktuell wird das Kohlendioxid nach der Behandlung in der Pilotanlage wieder zurück in den Kamin der KVA geführt“, erklärt Michael Schneider.
Für Infraserv Höchst ist das Thema „Carbon Capture and Utilization (CCU)“ nicht neu. Bereits vor einigen Jahren wurde das an der Biogasaufbereitungsanlage des Industrieparks abgetrennte Kohlendioxid in einem Forschungsprojekt gemeinsam mit Partnern zu emissionsfreien Ölen und Wachsen weiterverarbeitet. Mittlerweile liefert Infraserv dieses Kohlendioxid an die größte Power-to-Liquid-Pionieranlage Europas von INERATEC, die jüngst in Betrieb genommen wurde. In dieser Anlage wird Kohlendioxid in Kombination mit Wasserstoff zu synthetischen Kraftstoffen, wie zum Beispiel E-Kerosin, umgewandelt.
Die Carbon Capture-Pilotanlage wird maßgeblich durch ein von der EU gefördertes Projekt finanziert. In vier europäischen Regionen, unter anderem auch im Industriepark Höchst, werden Konzepte für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft entwickelt und modellhaft erprobt. red